Seit meiner Berufstätigkeit auf Mallorca lässt sich ein bestimmtes Phänomen sehr zuverlässig und regelmäßig beobachten: Kaum haben die Leute Stress und Arbeit in Deutschland hinter sich gelassen und landen voller Vorfreude auf die freie Zeit auf Mallorca, schon gehen die Beschwerden los: Seien es Zahnschmerzen, Erkältungen oder andere Probleme - der Urlaub kommt... und die Krankheit leider auch. Und nach dem Urlaub bräuchte man eigentlich erst mal Urlaub vom Urlaub. Woran liegt es also, dass so viele Leute im Urlaub krank werden? Ist es wirklich nur Zufall und Pech? Oder gibt es auch handfeste Gründe für diesen unangenehmen Start in die Freizeit?
Die Wissenschaft hat sich bereits ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt und es gibt sogar eine eigene Wortkreation für diese „Urlaubskrankheit“ : Die Leisure Sickness plagte 2013 immerhin jeden 10. Deutschen.
Der Umstand zu Beginn des Urlaubs krank zu werden ist sicher multifaktoriell.
Zum Einen ist die Zeit vor dem Urlaub in der Regel sehr stressig: Im Job müssen viele Dinge vorgearbeitet werden, es muss sich um eine Vertretung im Urlaub gekümmert werden, der Nachbar braucht noch den Schlüssel zum Blumen gießen, die Haustiere müssen noch zu Oma gebracht werden, der Koffer ist noch nicht gepackt und die Kinder spielen schon seit Tagen verrückt.
In diesen letzten Tagen vor dem Urlaub ist der Stresspegel also hoch und man kommt gar nicht dazu auf seinen Körper zu hören. Zwickt es irgendwo oder kratzt der Hals so wird es ignoriert, denn krank werden das geht nun gerade wirklich nicht.
Kommt der Körper dann im Urlaub allerdings zu Ruhe, so merkt man plötzlich doch hier und da, dass die letzte Zeit den Körper ziemlich beansprucht hat. Die Wahrnehmung bezüglich des eigenen Körpers ändert sich.
Handfeste Zahnschmerzen oder andere Erkrankungen lassen sich so aber sicherlich nicht erklären. Also kommen wir zur biochemischen Komponente der „Leisure Sickness“: Stress an sich hat einen großen Einfluss auf das Immunsystem – er macht anfällig für bakterielle und virale Infekte, Entzündungen und Autoimmunerkrankungen. Die Immunantwort wird unterdrückt, Wunden heilen beispielsweise langsamer.
In Stressphasen wird vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet was dazu führt, dass z.B. beim Anstecken mit Grippeerregern die Symptome zunächst vom Körper unterdrückt werden. Und das tut er nicht einfach so, sondern wie bei den meisten Dingen, die in unserem Körper passieren, hat sich die Evolution etwas dabei gedacht: In Stressphasen, was bei unseren Vorgängern z.B. der Kampf mit einem Mammut oder die Flucht vor einem gefährlichen Tier war, kann es sich der Körper nicht erlauben, schwach zu sein. Sämtliche Immunreaktionen werden unterdrückt, der Adrenalinspiegel steigt und der Körper mobilisiert alle Reserven und Kräfte. Kommt der Körper dann zu Ruhe und die Gefahr ist vorbei, ist Zeit sich um die Keime zu kümmern, das Husten und Prusten geht los, oder eben die Zahnschmerzen.
Was die Zähne angeht gibt es noch ein zweites Phänomen, was vor allem Flugreisende und somit den Großteil der Mallorcaurlauber betrifft: die sogenannte „Aerodontalgie“ oder bei Bergsportlern oder Tauchern auch als das Barotrauma bekannt.
Wie bekannt, ändert sich ja der Luftdruck im Flugzeug, was sich nicht selten in Ohrenschmerzen äußert. Ein Druckausgleich schafft Abhilfe, man passt die in Hohlräumen eingeschlossene Luft dem neuen Umgebungsdruck an. Dies geht natürlich nur dann, wenn es eine Verbindung der eingeschlossenen Luft zur Umgebung gibt. Ist nun ein Hohlraum unter einer Füllung oder eine verkapselte Karies vorhanden oder noch schlimmer – ein Zahnnerv hat sich irgendwann, ohne dass er Beschwerden gemacht hat, zersetzt und dort wo mal Nerv war, befinden sich nur noch eingeschlossene Gase. Dann kann es unter Umständen sehr unangenehm werden, denn ein Druckausgleich ist nicht möglich. Nicht selten ist der erste Weg vom Flughafen der zum Zahnarzt. Ist es ein Problem von Gasen im Nervenkanal so ist der Flug oft der Auslöser von Schwellungen und Entzündungen.
Zu guter Letzt gibt es noch ein sehr Mallorca-spezifisches Problem, was die Patienten oft zu uns in die Praxis führt: die (nicht entkernte) Olive. Wenn man Oliven nur ohne Kerne aus dem deutschen Supermarkt kennt und herzhaft drauf beißt, kann es hier auf Mallorca zu bösen Überraschungen kommen, denn hier werden die Oliven in der Regel mit Kern serviert.
Abgebrochene Zahnfragmente oder gar gänzlich gespaltene Zähne waren schon die Folge eines herzhaften Bisses auf die Steinfrucht.
Bleibt also festzuhalten: Im Berufsleben öfter mal probieren abzuschalten und dem Körper Ruhephasen gönnen, vor dem Flug besser noch mal zum Routinecheck zum Zahnarzt und alle Achtung vor den mallorquinischen Oliven.