Zuerst muss man wissen, dass jeder Zahn im menschlichen Körper von außen mit Schmelz, der härtesten Substanz unseres Körpers, bedeckt ist. Darunter liegt dann das so genannte Dentin oder auch Zahnbein und in diesem Dentin eingepackt hat auch jeder Zahn einen oder mehrere eigene Nervenkanäle. Frontzähne haben meist nur einen Nervenkanal, die Seitenzähne bis zu vier oder in Ausnahmefällen sogar noch mehr.
Oftmals fragen die Patienten, warum ein Zahn überhaupt einen Nerv hat. Die Antwort ist einfach: Während der Entwicklungsphase muss der Zahn mit Nährstoffen versorgt werden, dies geschieht über die winzigen Blutgefäße, die in dem Nervenkanal laufen. Der zweite Grund ist die Schutzfunktion der Zähne. Entsteht eine Karies, so kann der Zahn dadurch, dass er „lebendig“ ist darauf reagieren, indem er weiteres Dentin produziert und somit eine Art „Schutzwall“ vor den Kariesbakterien bildet. Außerdem sendet der Nerv ein Schmerzsignal, was den betroffenen Patienten signalisiert, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dies ist eine einfache Schutzfunktion des Körpers, welche auch z.B. bei zu kalten oder zu heißen Speisen und Getränken ausgelöst wird.
Gründe warum sich ein Nerv entzündet und behandelt werden muss gibt es viele. Als häufigster Grund ist sicherlich die Karies zu nennen. In der Regel beginnt sie im Zahnschmelz und braucht sehr lange bis sie das weichere Dentin erreicht. Ist das Dentin jedoch ein mal befallen, so ist der Weg zum Nerv nicht mehr weit. Die Kariesbakterien und deren Abbauprodukte reizen den Nerven und führen dazu, dass sich eine Entzündungsreaktion entwickelt. Hierbei spricht man von einer „Pulpitis“ (Pulpa = Zahnnerv). Ist die Entzündungsreaktion noch am Anfang und wird die Karies zügig entfernt, kann sich der Nerv wieder erholen und bleibt lebendig, man spricht in diesem Fall von einer „reversiblen Pulpitis“, also einer umkehrbaren Nervenentzündung.
Leider ist es aber häufig hierfür bereits zu spät und die bloße Behandlung der Karies reicht nicht mehr aus, der Nerv ist zu stark entzündet und kann sich nicht mehr erholen, die sogenannte „irreversible Pulpitis“. Hier hilft nur noch eine Wurzelkanalbehandlung.
Weitere Gründe für eine Pulpitis können z.B. Traumata durch Stürze oder Schläge und Überbelastungen durch starkes Knirschen, falsche Kontakte oder fehlende Zähne sein.
In den meisten Fällen äußert sich die Pulpitis durch unangenehme Schmerzen welche den Patienten schnell dazu veranlassen einen Zahnarzt aufzusuchen. Im einfachsten Fall wird die Ursache beseitigt und der Nerv erholt sich wieder. Wenn es hierfür bereits zu spät ist muss der Nerv vom Zahnarzt entfernt werden. Dies geschieht durch kleine Nadeln aus Nickel-Titan, welche der Zahnarzt in die Nervenkanäle einführt. Eine Wurzelkanalbehandlung ist eine komplexe und schwierige Behandlung, da gekrümmte oder enge Kanäle das Säubern oftmals erschweren. Die Behandlung erfordert viel Fingerspitzengefühl des Zahnarztes und viel Geduld des Patienten, da sie sich meist über mehrere Sitzungen mit zwischenzeitlich medikamentösen Einlagen erstreckt.
Auch passiert es häufig, dass der Nerv an sich bereits längst vom Patienten unbemerkt abgestorben ist und sich die Beschwerden erst viel später zeigen. Nämlich dann wenn sich im Kanal Fäulnisgase durch das Zersetzen des Nervs bilden und nicht entweichen können. Es kommt zu Aufbissempfindlichkeiten, starken Schmerzen und sogar zu Schwellungen durch Vereiterung.
In diesem Fall bereitet im eigentlichen Sinne nicht mehr der Zahn die Schmerzen, sondern der den Zahn umgebene Knochen, welcher sich aufgrund der Fäulnisbakterien entzündet.
Auch in diesem Fall werden die Kanäle mit den angesprochenen Nadeln gesäubert und erweitert und gleichzeitig mit verschiedenen desinfizierenden Lösungen gespült. Auch der Einsatz von Ultraschall kann helfen die Bakterien in den Kanälen zu beseitigen.
Verschiedenste maschinelle Systeme helfen mittlerweile dem Zahnarzt bei der Aufbereitung der Wurzelkanäle. So gibt ein kleiner Motor einen bestimmten Drehmoment vor, das bedeutet, wenn sich die Nadel zu fest im Kanal verankert, stoppt der Motor die Drehung um ein Brechen der Nadel im Kanal zu vermeiden. Neueste Systeme lassen die Nadeln nicht mehr im Uhrzeigersinn drehen, sondern reziprok im Wechsel mit und gegen den Uhrzeigersinn, was ebenfalls das Risiko eines Bruchs der Nadel senkt. Denn man kann sich vorstellen, dass es sehr schwierig oder gar unmöglich ist eine im Kanal gebrochene Nadel wieder zu entfernen.
Ist der Zahn nun nach einer oder meist mehreren Behandlungen sauber und der Patient beschwerdefrei muss abschließend der Kanal wieder gefüllt werden um einer erneuten Besiedelung von Bakterien vorzubeugen. Dies geschieht mit speziell angepassten elastischen Stiften, die in den Kanal eingeklebt werden.
Ist die Behandlung komplikationsfrei verlaufen so ist die Prognose von wurzelkanalbehandelten Zähnen gut. Leider gibt es aber auch anatomische Besonderheiten, die eine Behandlung des Nerven scheitern lassen wie kleine Nebenkanäle, die man nicht erreicht oder so stark gekrümmte Kanäle, so dass eine vollständige Säuberung nicht möglich ist. Oft liegt unten an der Wurzelspitze der Knackpunkt, denn wenn der Nerv sich dort mehrmals teilt ist es schwierig sämtliche Anteile zu entfernen. Man spricht hier auch vom „apikalen Delta“, da es wie bei einem Flussdelta zur Teilung von einem Nerv zu mehreren kleinen Nerven kommt.
Deswegen ist die Wurzelbehandlung nicht nur für den Patienten eine wahre Herausforderung.
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